Gerichtsverfassungs- und Verfahrensrecht
Begriff
- Gesamtheit der Regeln, die für die Einrichtung und die Tätigkeit der Gerichte maßgeblich und charakteristisch sind
- GVR regelt grundlegende, einheitliche Vorschriften in Zivil-/Straf-/Familienprozessen
- Abgrenzung zum Verfahrensrecht: GVR regelt die Grundsatzentscheidungen in ihrer Bedeutung für die gesamte Rechtspflege. Das Verfahrensrecht, etwa die ZPO, regelt en Ablauf des konkreten Verfahrens im Einzelnen
Bedeutung
Zivilgerichte
- schützen die subjektiven Rechte des Einzelnen
- dienen der Bewährung der objektiven Rechtsordnung
- lösen die private Konflikte der Parteien und sichern Rechtsfrieden
- dienen der Rechtssicherheit: durch Entscheidungen wird klar, wie Gesetze auszulegen sind
Strafgerichte
- Herstellung und Sicherung der Rechtsstaatlichkeit
Rechtsquellen
Einfachgesetzliche Rechtsquellen
- GVR ist das Fundament, auf dem GVG, ZPO, FamFG und StPO aufbauen, z.B.
- Gerichtsorganisation (§§ 22 ff. GVG)
- Geschäftsverteilung innerhalb des Gerichts (§§ 21e ff. GVG)
- richterliche Unabhängigkeit (§ 1 GVG)
- deutsches Richtergesetz, Richtergesetze der Länder
- Rechtspflegergesetz
- Europäische Menschenrechtskonvention
Verfassungsrechtliche Grundlagen des GVR
- Art. 97 I GG: sachliche Unabhängigkeit
- Art. 103 I GG: Anspruch auf rechtliches Gehör
- Art. 101 I 2 GG: Recht auf gesetzlichen Richter (Geschäftsverteilungsplan)
EU-rechtlich
- Art. 47 der europäischen Grundrechtecharta
- Art. 6 EUV, i.V.m. Art. 6 EMRK: Recht auf ein faires Verfahren
- Art. 19 III b EUV i.V.m. Art. 267 AEUV
- Brüssel Ia-Verordnung
Völkerrechtlich
- EMRK, insbesondere Art. 6 und 13
Organisation der Gerichtsbarkeit in Deutschland
Exterritorialität, Exemption, Immunität
- deutsche Gerichtsbarkeit/Gerichtshoheit: auf der staatlichen Macht beruhendes Recht, grds. über alle auf dem Staatsgebiet befindlichen Personen die Gerichtsbarkeit auszuüben (Territorialitätsprinzip)
- echte Prozessvoraussetzung
- Ausnahmen (§§ 18, 19 GVG)
- Exterritorialität: aufgrund einer bestimmten Örtlichkeit (z.B. Botschaften, Schiffe, Staatsflugzeuge)
- Exemption: Personen wegen einer bestimmten Rechtsstellung (z.B. Diplomaten), solange sie in Deutschland leben (und nicht im Zivilprozess selbst geklagt haben)
- Immunität: Schutz eines Staates vor der Gerichtsbarkeit eines anderen Staates (alle Staaten sind gleichrangig)
Rechtswege (Art. 95 I GG)
Ordentliche Gerichtsbarkeit (§ 13 GVG): Zivil-, Familien- und Strafgerichtsbarkeit (Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit)
- Abgrenzung bürgerlicher zu öffentlich-rechtlicher Streitigkeiten (§ 13 GVG und § 40 I 1 VwGO)
- Interessentheorie: dem öffentlichen Interesse dienenden Rechtssätze gehören dem öffentlichen Recht und dem Individualinteresse dienenden Rechtssätze dem Privatrecht an (Problem: eine Vielzahl von öffentlich-rechtlichen Vorschriften bezwecken nicht nur den Schutz des Allgemein-, sondern zugleich auch des Einzelinteresses)
- Subordinationstheorie: Rechtssätze, die das Verhalten von Hoheitsträgern regeln, sind öffentlich-rechtlich, wenn sie ein Über-/Unterordnungsverhältnis betreffen (Problem: das öffentliche Recht kennt auch Gleichordnungsverhältnisse und im Privatrecht sind auch Subordinationsverhältnisse anzutreffen)
- modifizierte Subjektstheorie: entscheidend, ob der betreffende Rechtssatz für jedermann gilt oder vielmehr ausschließlich ein Sonderrecht des Staates begründet: eine Rechtsnorm ist nur dann öffentlich-rechtlich, wenn sie einen Hoheitsträger als solchen berechtigt bzw. verpflichtet (Problem: Zirkelschluss, wenn die Theorie den Begriff "öffentliches Recht" der Sache nach durch den des "Hoheitsträgers" erklärt, die Ausübung hoheitlicher Gewalt aber gerade von der Einordnung als öffentlich-rechtlich abhängt)
- Rechtspraxis: Anwendung der drei Abgrenzungstheorien nebeneinander
Verwaltungsgerichtsbarkeit (§§ 17a II, 17 II GVG und § 40 VwGO)
- verfassungsrechtliche Streitigkeit: wenn zwei unmittelbar am Verfassungsleben beteiligte Verfassungsorgane unmittelbar über spezifisches Verfassungsrecht streiten (doppelte Verfassungsunmittelbarkeit)
- Was gilt, wenn eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit versehentlich beim Landgericht anhängig gemacht wurde?
- LG kann diese auch ohne Antrag des Klägers an das zuständige Verwaltungsgericht verweisen (§ 17a II 1 GVG)
- Verwaltungsgericht kann dann nicht mehr zurückverweisen (§ 17a II 3 GVG), aber: keine sachliche und örtliche Bindung der Zuständigkeit (das verweisende Gericht bleibt die Möglichkeit der Weiterverweisung, s. § 281 ZPO im Zivilprozess)
- Verwaltungsgericht kann stattdessen den Beklagten auch aufgrund bürgerlich-rechtlicher Vorschriften verurteilen (§ 17 II 1 GVG)
- verurteilter Beklagter kann seine Berufung/Revision nicht darauf stützen, dass das Landgericht zuständig gewesen sei (§ 17a V GVG)
- Es ändert sich nichts, wenn eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit versehentlich beim Verwaltungsgericht anhängig gemacht wurde (da § 173 S. 1 VwGO auf die §§ 17, 17a GVG verweist)
Arbeitsgerichtsbarkeit (§§ 2 ff. ArbGG)
Sozialgerichtsbarkeit (§ 51 SGG)
Finanzgerichtsbarkeit (§ 33 FGO)
Berufs-/Disziplinargerichtsbarkeit
- Berufsgerichtsbarkeiten (Ahnen von Verstößen der jeweiligen Berufsangehörigen gegen Pflichten des Berufsstandes durch berufsinterne Sanktionen = Selbstreinigung im Interesse der Integrität und Vertrauenswürdigkeit)
- bundesrechtlich: Anwälte, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer
- landesrechtlich: Ärzte, Zahnärzte, psychologische Psychotherapeuten, Kinder- und Jugendpsychotherapeuten, Tierärzte, Apotheker, Architekten, Ingenieure
- Disziplinargerichtsbarkeiten (besondere Gerichte zur Ahnung von Dienstvergehen)
- Beamte, Richter, Notare, Soldaten
kirchliche Gerichtsbarkeit (Weimarer Reichsverfassung: Kirchen dürfen ihre Angelegenheiten selbst regeln)
Internationale Zuständigkeit der Zivilgerichte
- dürfen Deutsche Gerichte über einen Sachverhalt mit Auslandsbezug entscheiden?
- Brüssel Ia Verordnung: gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen
Sachliche Zuständigkeit (§ 1 ZPO i.V.m. §§ 23, 71, 118, 119 III GVG)
Örtliche Zuständigkeit (§§ 12 ff. ZPO)
Gerichtsstand
- allgemeiner Gerichtsstand (§§ 12, 13 ZPO)
- ausschließlicher Gerichtsstand
- zusätzliche besondere Gerichtsstände: z.B. § 33 ZPO
- kann vereinbart werden (§§ 38, 40 ZPO)
- rügelose Einlassung (§§ 504, 39 ZPO)
- funktionelle Zuständigkeit: verteilt die Rechtspflegeaufgaben in einem Rechtsstreit auf verschiedene Rechtspflegeorgane innerhalb einer Instanz oder auf verschiedene Instanzen
Geschäftsverteilungsplan (§ 21e GVG)
- Präzisierung von Art. 103 I 2 GG
- wird nach § 21e I 1 GVG von dem nach den §§ 21a-21d GVG gewählten Präsidium beschlossen
- Anforderungen
- Abstraktionsprinzip: Sachen müssen nach allgemeinen, abstrakten Merkmalen wie etwa dem Sachgebiet, der alphabetischen Einordnung des Beklagtennamens, dem Zeitpunkt des Eingangs bei Gericht usw. verteilt werden
- Bestimmtheitsgrundsatz: Die Regelungen müssen klar und eindeutig sein, Art. 101 I 2 GG
- Jährlichkeitsprinzip: beansprucht für das ganze Jahr Geltung (§ 21e I 2 GVG)
- Vorauswirkungsprinzip: muss am Ende des Jahres für das kommende Geschäftsjahr beschlossen werden (§ 21e I 2 GVG)
- Stetigkeitsprinzip: ist in seinem Geltungszeitraum grundsätzlich unabänderlich (§ 21e III 1 GVG)
- Vollständigkeitsprinzip: alle Sachen müssen unter allen Richtern verteilt werden (Art. 101 I 2, Art. 97 II GG)
Bundesverfassungsgericht
- Zusammensetzung (Art. 94 GG, §§ 2 ff. BVerfGG)
- prüft nur aus dem verfassungsrechtlichen Blickwinkel
- Verfahrensarten
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)
- Gerichtshof auf Grundlage der EMRK (alle Staaten außer Vatikanstaat und Weißrussland sind Mitglied)
Klausurvorbereitung
Gerichtsverfassungsrecht /Rechtsquellen |
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GVR als Fundament, auf dem ZPO, FamFG und StPO aufbauten |
Das weitgehend im GVG geregelte Gerichtsverfassungsrecht trifft Aussagen etwa über die Gerichtsorganisation (§§ 22 ff. GVG), die Geschäftsverteilung innerhalb des Gerichts (§§ 21e ff. GVG) oder auch über die richterliche Unabhängigkeit (§ 1 GVG) und damit über Fragen, die für den Zivilprozess und den Strafprozess in gleicher Weise von Bedeutung sind. So gesehen ist das GVG eine Art Allgemeiner Teil von ZPO und StPOmit der Maßgabe, dass in diesem Allgemeinen Teil nur die für die Justiz wirklich grundlegenden Regeln enthalten sind |
Wann ist das GVG in Kraft getreten und was lässt sich aus dem Zeitpunkt des Inkrafttretens für die Beantwortung der vorherigen Frage ableiten? |
GVG, ZPO und StPO traten am selben Tag, dem 1. Oktober 1879, in Kraft. Das beweist, dass die drei Gesetze für den damaligen Gesetzgeber zusammengehörten und im GVG die für Zivilprozess und Strafprozess in gleicher Weise geltenden grundlegenden organisatorischen Fragen „abgearbeitet“ wurden. In ZPO und StPO sind sodann nur die für die konkrete Verfahrensart erforderlichen besonderen Regeln enthalten |
Organisationsregeln, Qualifikationsregeln und Verfahrensmaximen |
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Gerichtshoheit (Justizhoheit, deutsche Gerichtsbarkeit) |
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Für welche Verfahren ist die sog. Ordentliche Gerichtsbarkeit zuständig? |
Nach § 13 GVG für die Streitigkeiten des bürgerlichen Rechts, für Familiensachen und die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit und für die Strafsachen. |
Abgrenzung der in § 13 GVG genannten „Bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten“ von den öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten i.S.d. § 40 I 1 VwGO |
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Ist eine Versetzung eines Richters tatsächlich nicht möglich? |
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Internationale Zuständigkeit |
Dürfen Deutschen Gerichte über einen Sachverhalt mit Auslandsbezug entscheiden |
Brüssel Ia Verordnung |
Darin geht es um „die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen“ (auch EuGVVO oder EuGVO) |
Bei keiner ausdrücklichen Regelung der internationalen Zuständigkeit: Wann ist ein deutsches Gericht international zuständig? |
Nun, jedenfalls dann, wenn es nach deutschem Recht örtlich zuständig ist |
Bedeutet die Bejahung der internationalen Zuständigkeit eines deutschen Gerichts auch, dass deutsches Recht anwendbar ist? |
Das gerade nicht. Diese Frage beurteilt sich nach dem sog. Internationalen Privatrecht |
Was bedeuten „Rom I Verordnung “, „Rom II“ und „Rom III“? |
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Was, wenn keine der Rom - Verordnungen anwendbar, also unklar ist, welches Recht - in der Sache - auf einen Sachverhalt mit Auslandsbezug anwendbar ist? |
Dann gelten die im EGBGB (Art. 3 - 46e EGBGB) enthaltenen Vorschriften des deutschen internationalen Privatrechts. Aus ihnen ergibt sich, welches materielle Recht anwendbar ist. |
Für welche Fälle ist jeweils das AG/LG/OLG in Zivilsachen sachlich zuständig? Was überhaupt ist unter sachlicher Zuständigkeit zu verstehen? |
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Was ist unter der örtlichen Zuständigkeit zu verstehen? |
Vor welchem der vielen - sachlich zuständigen - LGs wird geklagt? Wo (bei welchem LG bzw. AG) hat der Beklagte seinen Gerichtsstand |
Gerichtsstände |
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Wann ist die Zivilkammer, wann der Einzelrichter für die Bearbeitung einer eingehenden Sache zuständig? |
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Wer stellt den gerichtsinternen Geschäftsverteilungsplan auf? |
Der Geschäftsverteilungsplan wird nach § 21e I 1 GVG von dem nach den §§ 21a - 21d GVG gewählten Präsidium beschlossen |
Wie viele Richter hat das Bundesverfassungsgericht, wie wird man/frau Richter/Richterin des Bundesverfassungsgerichts und wie lange bleibt man/frau es? |
Art. 94 GG und die §§ 2 - 12 BVerfGG: zwei Senate, jeweils acht Richter, längstens 12 Jahre, vom Bundestag und Bundesrat gewählt, Bundesrichter und andere Mitglieder |
Über welche Verfahren entscheidet das Bundesverfassungsgericht? |
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Verfassungsbeschwerde |
Art. 93 I Nr. 4a und 4b GG, §§ 13 Nr. 8a, 90 - 95a BVerfGG: ermöglicht insbesondere Bürgern, ihre grundrechtlich garantierten Freiheiten gegenüber dem Staat durchzusetzen, keine Erweiterung des fachgerichtlichen Instanzenzuges, sondern außerordentlicher Rechtsbehelf, in dem nur die Verletzung spezifischen Verfassungsrechts geprüft wird |
BVerfG: keine „Superrevisionsinstanz“ |
BVerfG untersucht im Verfassungsbeschwerdeverfahren nur, ob spezifisches Verfassungsrecht verletzt ist |
Ist eine Verletzung von spezifischem Verfassungsrecht auch denkbar, wenn der BGH über einen Zivilrechtsstreit entschieden hat? Kann der BGH bei der Entscheidung in einem Zivilrechtsstreit Grundrechte berücksichtigen? Gelten die Grundrechte denn überhaupt in Rechtsbeziehungen zwischen Privaten? |
Nun, zum einen kann der BGH selbst etwa die grundrechtsähnliche Rechte aus Art. 101 I 2 oder Art. 103 I GG verletzt haben und ob diese verletzt wurden, kann das BVerfG allemal überprüfen. Zum anderen „gibt es“ seit dem sog. „Lüth Urteil“ die sog. „mittelbare Drittwirkung der Grundrechte“. |
Die Verfassungsbeschwerde ist gemäß § 90 II BVerfGG erst nach der sog. „Erschöpfung des Rechtswegs“ zulässig. Was verstehen wir unter der Rechtswegerschöpfung? |
wenn sämtliche gegen eine fachgerichtliche Entscheidung nicht offensichtlich unzulässigen Rechtsbehelfe ergriffen worden sind und keine Möglichkeiten mehr bestehen, der Beschwerde mit Hilfe der Fachgerichte abzuhelfen |
Wann ist die Verfassungsbeschwerde anzunehmen? |
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konkreten Normenkontrolle |
Art. 93 I Nr. 5, Art. 100 I GG, §§ 13 Nr. 11, 80 ff. BVerfGG: nur BVerfG ist dafür zuständig, über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen zu entscheiden: Hält ein Fachgericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so setzt es das Verfahren aus und holt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein (Richtervorlage) |
Welche Gerichte umfasst die Unionsgerichtsbarkeit? Gibt es noch ein Fachgericht? |
Art. 19 I Unterabsatz 1 S. 1 EUV und: es gibt kein Fachgericht (mehr) |
Wie viele Richter hat der Europäische Gerichtshof in Luxemburg (EuGH) und wie lange ist ihre Amtszeit? Wer ernennt sie und ist eine Wiederernennung möglich? |
Art. 19 II EUV und Art. 253 AEUV |
Was ist die Aufgabe der Generalanwälte? |
Art. 19 II EUV und Art. 252 AEUV |
Was ist Aufgabe des EuGH? Über welche Verfahren entscheidet er? |
Art. 19 I Unterabsatz 1 Satz 2 und Art. 19 III EUV |
Was ist unter einem Vorabentscheidungsverfahren zu verstehen? |
Art. 267 AEUV |
Mit welchem bundesverfassungsgerichtlichen Verfahren lässt sich das Vorabentscheidungsverfahren am ehesten vergleichen? |
konkrete Normenkontrolle nach Art. 100 I GG |
Unterstellt, ein deutscher Richter sei unsicher, ob ein deutsches Gesetz verfassungsgemäß ist. Er hält es für sinnvoll, das BVerfG mit der Frage zu befassen, obschon noch eine Beweisaufnahme aussteht und es je nach Ergebnis der Beweisaufnahme auch gar nicht auf die Verfassungsmäßigkeit der Norm ankommen könnte (Dies könnte etwa dann der Fall sein, wenn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine Klage abzuweisen ist, unabhängig davon, ob das in Frage stehende Gesetz verfassungsmäßig oder verfassungswidrig ist.). Ist seine Vorlage nach Art. 100 I GG zulässig? |
Das ist sie nicht |
Prüft der EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV ebenso streng, „inwiefern von der Auslegung einer EU-rechtlichen Norm die Entscheidung des Gerichts abhängig ist“ und wenn nein, warum nicht. |
Nun, eine Vorlage nach Art. 267 AEUV ist schon dann zulässig, wenn einem Gericht eine Frage über die Auslegung der Verträge usw. gestellt wird und dieses (vorlegende) Gericht „eine Entscheidung (des EuGH) darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich hält“. Schon vom Wortlaut her ist Art. 267 AEUV großzügiger als Art. 100 I GG i.V.m. § 80 IIBVerfGG. Die Großzügigkeit des EuGH ist aber nicht zuletzt in Folgendem begründet: Jedes zulässige Vorabentscheidungsverfahren gibt dem Gerichtshof die Möglichkeit, zu einer (bis jetzt ungeklärten Auslegungs-) Frage des EU-Rechts Stellung zu nehmen und damit der Auslegung des EU-Rechts seinen - verbindlichen - Stempel aufzudrücken. |
Gibt es Gerichte, die Auslegungsfragen des EU-Rechts dem EuGH vorlegen müssen? |
Aber ja! Nach Art. 267 III AEUV sind dies die Gerichte, deren Entscheidungen nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können |
Und gegen welches grundrechtsähnliche Recht verstößt ein Gericht, das entgegen Art. 267 III AEUV nicht vorlegt? |
Es kann, wenn es ohne jeden nachvollziehbaren Grund (willkürlich) handelt, gegen Art. 101 I 2 GG verstoßen |
Vorrang des Unionsrechts |
EU-Recht hat Anwendungsvorrang - auch vor deutschem Verfassungsrecht -, weil und soweit ihm der deutsche Gesetzgeber diesen Anwendungsvorrang nach Art. 23 I 2 GG - unter Beachtung des Art 79 III GG - eingeräumt hat. Konkret bedeutet das, dass Gerichte, aber auch Verwaltungsbehörden (!), dem EU- Recht entgegenstehendes nationales Recht nicht anwenden dürfen |
EGMR |
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Wie viele Richter hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg (EGMR) und wie lange ist ihre Amtszeit? Wer wählt sie und ist eine Wiederwahl zulässig? |
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Welches ist die Aufgabe des EGMR? Über welche Verfahren entscheidet er? |
Der EGMR wacht über die Einhaltung der EMRK durch die Mitgliedsstaaten.
Er ist zuständig für die Entscheidung über Individualbeschwerden (Art. 34 EMRK) und Staatenbeschwerden (Art. 33 EMRK). Das Gutachterverfahren nach Art. 47 EMRK spielt nahezu keine Rolle. Das Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 1 des 16. Zusatzprotokolls zur EMRK gilt noch nicht für die obersten Gerichts Deutschlands, weil Deutschland das Zusatzprotokoll - anders als Frankreich - noch nicht ratifiziert hat. |
Was ist unter einer Individualbeschwerde (Art. 34 EMRK) zu verstehen? |
In der Praxis stellt die Individualbeschwerde das bedeutendste Instrument des Menschenrechtsschutzes vor dem EGMR dar. Allen natürlichen Personen und nichtstaatlichen Organisationen sowie Personengruppen wird das Recht gewährt, den EGMR mit der Behauptung anzurufen, in einem Recht aus der Konvention verletzt zu sein. |
Mit welchem innerdeutschen Verfahren ist die Individualbeschwerde noch am ehesten zu vergleichen? |
Mit der Verfassungsbeschwerde |
Welche Wirkungen hat ein - einer Individualbeschwerde stattgebendes - Urteil des EGMR? |
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Zweck der Gesetzesbindung |
Die Gesetzesbindung sichert den Grundsatz der Gewaltenteilung |
Rechtsgrundlagen der Gesetzesbindung |
Die Rechtsgrundlagen der Gesetzesbindung finden sich in Art. 97 I GG, § 25 DRiG und § 1 GVG. Die genannten Vorschriften werden durch Art. 20 III GG ergänzt, der in Erinnerung ruft, dass Gesetz und Recht sich zwar regelmäßig - aber nicht immer - decken. |
Auslegungsmethoden |
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Was ist unter einer Einzelanalogie = Gesetzesanalogie zu verstehen? |
Besteht eine planwidrige Gesetzeslücke und gibt es eine Norm, die den Zweck hat, einen Sachverhalt zu regeln, der dem gesetzlich nicht geregelten Sachverhalt vergleichbar ist, kann diese Norm auf den gesetzlich nicht geregelten Sachverhalt angewandt, die Lücke also mit dieser Norm geschlossen werden |
Was ist unter einer Gesamtanalogie = Rechtsanalogie zu verstehen? |
Besteht eine planwidrige Gesetzeslücke und gibt es mehrere Normen, denen, wie sich an der Regelung mehrere Sachverhalte feststellen lässt, derselbe Rechtsgedanke zugrunde liegt, und ist der gesetzlich nicht geregelte Sachverhalt diesen Sachverhalten vergleichbar,
kann der Rechtsgedanke auf den gesetzlich nicht geregelten Sachverhalt angewandt, die Lücke also mit dessen Ausprägung, dessen Rechtsfolge, geschlossen werden |
Wie weit geht der Schutzbereich der sachlichen Unabhängigkeit des Richters nach Auffassung des BGH? |
Nur den sog. „Kernbereich richterlicher Unabhängigkeit“, dagegen nicht den Bereich der sog. „äußeren Ordnung“.
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Was ist unter persönlicher Unabhängigkeit zu verstehen? |
Art. 97 II GG garantiert den hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellten Richtern einen besonderen Schutz ihrer persönlichen Unabhängigkeit. Sie können gegen ihren Willen nur kraft richterlicher Entscheidung und nur aus Gründen und unter den Formen, welche die Gesetze bestimmen, vor Ablauf ihrer Amtszeit entlassen oder dauernd oder zeitweise ihres Amtes enthoben oder an eine andere Stelle oder in den Ruhestand versetzt werden (Art. 97 II 1 GG). Sie sind damit im Grundsatz für die Dauer ihrer Amtszeit unabsetzbar und unersetzbar. |
Aus welchem Grund wird die persönliche Unabhängigkeit geschützt? |
Der Schutz der persönlichen Unabhängigkeit in Art. 97 II GG stellt eine grundlegende rechtsstaatliche Anforderung an das Gerichtswesen dar. Die Vorschrift hat den Zweck, die sachliche Unabhängigkeit der Richter abzusichern, indem diese vor dienstrechtlichen Konsequenzen in Gestalt von Amtsenthebung, Entlassung, Versetzung oder Beurlaubung bewahrt werden, mit denen richterliche Entscheidungen sanktioniert werden könnten. Die sachliche Unabhängigkeit ist nur effektiv, wenn ein Richter nicht befürchten muss, dass seine Rechtsprechung negative Auswirkungen auf sein Amt haben wird |
„Genießt“ jeder Richter die persönliche Unabhängigkeit? Auch ein (noch nicht zum Richter auf Lebenszeit ernannten) Richter auf Probe? Falls nein: Wie könnte man den Unterschied zur sachlichen Unabhängigkeit erklären? |
Hauptamtlich angestellt sind Richter, die keine andere Haupttätigkeit als die des Richters ausüben ( ... ), also auch Richter auf Probe und Richter kraft Auftrags sowie abgeordnete Richter. Planmäßig angestellt sind Richter, die auf eine Planstelle bei einem bestimmten Gericht berufen sind. Als endgültig angestellt werden die auf Lebenszeit oder für eine bestimmte Amtsdauer ernannten Richter bezeichnet. Die Amtsdauer muss im Interesse der persönlichen Unabhängigkeit durch Parlamentsgesetz geregelt sein. Maßgeblich ist, dass eine Beendigung des Anstellungsverhältnisses nicht ohne weiteres möglich ist. Die Richter dürfen also nicht etwa „bis auf weiteres“ oder unter Widerrufsvorbehalt angestellt sein. Die Verbürgung des Art. 97 II GG greift demnach nicht für Richter auf Probe, Richter kraft Auftrags, abgeordnete Richter (soweit das Abordnungsverhältnis betroffen ist), Richter im Nebenamt und ehrenamtliche Richter |
Erinnern Sie noch, welche Normen die richterliche Unabhängigkeit institutionell (als Ausprägung des Gewaltenteilungsprinzips) sichern? |
Nach Art. 20 II GG wird die vom Volk ausgehende Staatsgewalt auch „durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt“, die nach Art. 20 III GG nur „an Gesetz und Recht“ und insbesondere nicht an den Willen
der vollziehenden Gewalt gebunden sind |
Was könnte für eine Selbstverwaltung der Justiz sprechen? |
Die Dritte Gewalt muss sich wie Legislative und Exekutive in ihren Organisationsbereichen selbst verwalten können. Das beinhaltet, dass sie das Recht erhält, ihren Haushalt unmittelbar beim Parlament einzuwerben. Im verfassungsrechtlich zulässigen Rahmen muss die Justiz ihre Personalentscheidungen selbst treffen können. Eine Rechenschaftspflicht darf nur gegenüber dem Parlament bestehen. Das Grundgesetz steht der Einführung einer Selbstverwaltung der Justiz nicht entgegen. Danach werden die Justizministerien „entlastet“. Sie sollen nur noch für die Erarbeitung von Gesetzen, die Juristenausbildung, die Notaraufsicht, die Strafvollstreckung und die Gnadensachen zuständig sein. An die Stelle der Justizministerien soll ein sog. Justizverwaltungsrat treten,
der für Personalentscheidungen, Haushalt, Verwaltungsaufbau und IT zuständig ist. Er steht unter der Dienstaufsicht des Landtagspräsidenten. Gewählt wird dieser Justizverwaltungsrat durch einen mehrheitlich von Parlamentariern |
Was könnte gegen eine Selbstverwaltung der Justiz sprechen? |
Bei allem Reformbedarf: Die deutsche Justiz ist nicht so schlecht, wie sie von dem Richterbund dargestellt wird. Ein Minister, der nicht nur Justizminister ist, sondern an der Spitze eines Ministeriums für Justiz, Arbeit, Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz steht, hat am Kabinettstisch ein ungleich größeres Gewicht und kann eher den Rahmen schaffen - in dem die Justiz ihren Gang - in Unabhängigkeit - geht. man sollte die jetzige Verwaltung der Justiz nicht bekämpfen, sondern verbessern - es gibt genug zu tun. |
Aber liegt in der fehlenden Selbstverwaltung der Justiz denn nicht doch ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung? |
Das ist Unsinn. Ausgangspunkt für die Beantwortung der Frage kann nämlich nicht ein quasi überpositives Konzept strikter Gewaltentrennung sein, sondern allenfalls eine Gewaltenteilung, die den grundgesetzlichen Anforderungen entspricht. Und dass die heutige Form der Gerichtsverwaltung dem Grundgesetz widerspreche, ist nicht begründbar. |
Was ist unter richterlicher Neutralität zu verstehen? |
Wir haben oben gesehen, dass die richterliche Unabhängigkeit den Richter vor Einflussnahmen von außen schützt. Die Regeln über die richterliche Neutralität wollen verhindern, dass innere Einflüsse die Entscheidung beeinflussen. Deshalb ist der Richter, der entweder selbst Partei ist oder einer Partei nahesteht, - weil parteilich - kraft Gesetzes von der Bearbeitung eines Rechtsstreits ausgeschlossen (§ 41 ZPO, vgl. auch § 42 I 1. Fall ZPO). Und - wegen Befangenheit - abgelehnt werden kann er, wenn sonstige Gründe vorliegen, die geeignet sind, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 42 I 2. Fall, II ZPO) |
Und was verstehen wir unter der Unparteilichkeit? |
§ 41 und § 42 I ZPO |
Welche Rechtsfolgen zieht die fehlende Unparteilichkeit nach sich? |
Nun, wie gesagt, dass er kraft Gesetzes von der Bearbeitung des Rechtsstreits
ausgeschlossen ist. |
Kann ein Richter, obschon kraft Gesetzes wegen fehlender Unparteilichkeit ausgeschlossen, aus demselben Grund auch abgelehnt werden? |
Ja, das ergibt sich, wie gesagt, aus § 42 I 1. Fall ZPO |
Was ist unter der Unbefangenheit zu verstehen? |
§ 42 I, II ZPO |
Welche Rechtsfolgen zieht die Besorgnis der Befangenheit nach sich? |
Dass der betreffende Richter bis zu dem in § 43 ZPO genannten Zeitpunkt abgelehnt werden kann, woraufhin in der Regel ein anderer, durch den Geschäftsverteilungsplan bestimmter Richter über das Ablehnungsgesuch entscheidet (zum Verfahren lesen Sie §§ 44, 45 ZPO). Wollte man die Entscheidung dem „normalen“ Vertreter zuweisen, würden Befangenheitsanträge wohl in der Regel zurückgewiesen - weil der „normale“ Vertreter, gibt er dem Antrag statt, als Vertreter die Arbeit des abgelehnten Richters übernehmen müsste |
Was kann man daraus ableiten, dass § 42 Abs. 1 ZPO nicht von der Befangenheit
des Richters spricht, sondern von der Besorgnis, dass der Richter befangen sei? |
Dass es nicht darauf ankommt, ob der Richter tatsächlich befangen ist, sondern darauf, ob ein Grund besteht, der aus Sicht einer ruhig und vernünftig denkenden Partei in der Person des Ablehnenden berechtigten Anlass gibt, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln. |
Bis zu welchem Zeitpunkt kann eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit erfolgen? |
§ 43 ZPO! Wenn Sie also jemals einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen wollen, tun Sie es rechtzeitig! |
Unterstellt, der Zivilrichter weise (nach § 139 II 1 ZPO) auf einen rechtlichen Gesichtspunkt hin, den eine Partei erkennbar übersehen habe, nämlich darauf,
dass die Klageforderung längst verjährt ist. Begründet dieser - prozessentscheidende - Hinweis die Besorgnis der Befangenheit? |
Nach der Rspr. des BGH: Ja, weil auf den Hinweis an den Beklagten so sicher wie das Amen in der Kirche die Klageabweisung, also der Prozessverlust für den Kläger, folgt. Gibt das Gericht diesen Hinweis, muss der Prozessbevollmächtigte des Beklagten, will er sich nicht schadensersatzpflichtig machen, die Einrede der Verjährung erheben. Das alles nützt dem Kläger aber nichts. Folge ist, dass der Richter abgelehnt wird, ein anderer Richter das Befangenheitsgesuch für begründet erklärt - und die Klage trotzdem abweist, weil die Einrede der Verjährung ja nun einmal erhoben wurde. |
Welche vier Arten von Berufsrichtern kennt das Deutsche Richtergesetz? |
§ 8 DRiG: auf Lebenszeit, auf Zeit, auf Probe oder kraft Auftrags |
Was unterscheidet den Richter auf Probe von dem Richter auf Lebenszeit? |
Dass der Richter auf Probe noch nicht persönlich unabhängig i.S.v. Art. 97 II GG ist. §§ 12, 13 und 29 DRiG. |
Wie viele Richter auf Zeit gibt es in Deutschland? |
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Was ist ein Richter kraft Auftrags? |
Das ist ein Beamter auf Lebenszeit oder auf Zeit, der mit dem Ziel einer späteren Ernennung zum Richter auf Lebenszeit bereits richterliche Tätigkeit ausübt: ein „Richter auf Probe plus“, der schon so viel Erfahrungen, meist auf dem Gebiet seiner richterlichen Tätigkeit (etwa dem Steuerrecht), gesammelt hat, dass es gerechtfertigt ist, ihn nicht erst nach 5 Jahren (vgl. § 12 DRiG), sondern schon nach spätestens 2 Jahren (vgl. § 16 DRiG) zum Richter auf Lebenszeit zu ernennen. §§ 14, 15, 16 und 29 DRiG. |
Unter welchen Voraussetzungen darf ein junger Jurist/eine junge Juristin in das Richterverhältnis berufen werden? |
§ 9 DRiG
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Wann besitzt ein junger Assessor (oder ein alter Professor) die Befähigung zum Richteramt? |
§§ 5 bis 7 DRiG |
Stellen Sie sich vor, Sie wollten den Beruf des Rechtsanwalts/der Rechtsanwältin ergreifen - würden Sie akzeptieren, dass Voraussetzung dafür die Befähigung zum Richteramt (und nicht die Befähigung zum Anwaltsberuf) ist; würden Sie dies umgekehrt sogar wollen? |
Nach meiner Wahrnehmung wollen die Rechtsanwälte das, weil damit
deutlich gemacht wird, dass sie die gleiche Qualifikation wie das Gericht besitzen. |
Steht die Einstellung eines Richters im Ermessen, gar im alleinigen Ermessen des Justizministeriums? |
§§ 38 I Nr. 1, III, 39 I SaarRiG |
Wodurch wird das Richterverhältnis begründet? |
§ 17 DRiG |
Was ist unter der sog. „Mäßigungspflicht“ zu verstehen? |
§ 39 DRiG |
Was ist ein „Organ der Rechtspflege?“ |
Als unabhängiges Organ der Rechtspflege hat der Rechtsanwalt zahlreiche Aufgaben zu erfüllen, die der Sicherung einer geordneten Rechtspflege zum Zweck der effektiven Verwirklichung des Rechtsstaatsprinzips dienen. Gerade auch im außergerichtlichen Bereich kommt dieser Funktion besondere Bedeutung zu, weil der Rechtsanwalt dort das zentrale zur Pflege des Rechts berufene Organ ist.“ Es folgen Ausführungen zu Beratungsfunktion, Entlastungsfunktion, Äußerungsfunktion, Funktion der Verfahrenskontrolle, Rechtsschutzfunktion usw. im Interesse der objektiven Rechtsordnung. |
Ist es denkbar, dass sich aus § 1 BRAO ergebende Verpflichtungen des Rechtsanwalts gegenüber der Rechtspflege in Konflikt zur Wahrung der Mandanteninteressen nach § 3 BRAO treten? |
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Zusammenhang zwischen dem Ziel der Zurückdrängung der Selbsthilfe und dem Justizgewährungsanspruch Art. 19 IV GG |
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Justizgewährleistungsanspruch kompensiert, dass der Staat das Gewaltmonopol innehat, die Bürger auf Selbsthilfe verzichten und der Friedenspflicht unterliegen. Die Bürger lassen sich nur deshalb auf Verzicht ein, weil Staat ihnen effektiven Rechtsschutz gewährt |
Warum fällt rechtsprechende Tätigkeit der Gerichte nicht unter Art. 19 IV GG |
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Inhalt von Art. 19 IV GG und des Justizgewährungsanspruchs |
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Vorschriften des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz |
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Inhalt des Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz |
im Vordergrund: Verfahren sollen in einem überschaubaren Zeitraum entschieden werden |
Vorwurf des EGMR zu dem Thema effektiver Rechtsschutz an Deutschland |
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Was sieht das auf diesen Vorwurf hin verabschiedete Gesetz zum Rechtsschutz bei überlangen Verfahren zwischenzeitlich vor? |
Die Entschädigungslösung der §§ 198 ff. GVG |
Verstoß gegen Zuständigkeitsordnung zugleich Verletzung des Art. 101 I 2 GG? |
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Geschäftsverteilungsplan |
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Eingriff bei Aufstellung oder Anwendung des Geschäftsverteilungsplans |
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Art. 103 I GG: Anspruch auf rechtliches Gehör |
Im Zivilprozess: Partei hat Anspruch darauf,
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Wer ist Inhaber des Anspruchs? |
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In welcher Form wird einer Partei Gelegenheit zu rechtlichem Gehör gegeben? |
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§ 308 I ZPO: Dispositionsmaxime als zivilprozessualer Verfahrensgrundsatz |
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Beibringungsgrundsatz |
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Darf Richter auf fehlenden Tatsachenvortrag aufmerksam machen? |
Richter macht sich durch Hinweis nicht befangen. Er muss (!) sogar gem. § 139 I 2 ZPO darauf hinweisen, wenn er Klage für unschlüssig erachtet, etwa weil er Vortrag für unsubstantiiert hält. Reagiert Kläger hierauf durch zusätzlichen Vortrag, kann die Klage nicht mehr als unschlüssig abgewiesen werden. Fehlt der richterliche Hinweis, so kann der Kläger sogar in der Berufungsinstanz wegen eines Verfahrensfehlers – unzureichende Hinweise nach § 139 1 2 ZPO – umfassend weitere Tatsachen vortragen. Die Bindung des Berufungsgerichts an die tatsächlichen Feststellungen in erster Instanz (§ 529 I Nr. 1 ZPO) greift wegen § 531 II 1 Nr. 2 ZPO nicht |
Wozu verpflichtet das Legalitätsprinzip die Staatsanwaltschaft? |
Verpflichtung der Strafverfolgungsbehörden, ein Ermittlungsverfahren zu eröffnen, wenn ein den Anfangsverdacht rechtfertigende zureichende Kenntnis von einer (möglichen) Straftat erlangt hat (§ 152 II StPO) |
Staatsanwaltschaft: Voraussetzung zur Einleitung von Ermittlungen |
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Staatsanwaltschaft: Voraussetzung für Anklage |
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Staatsanwaltschaft: Voraussetzung für Haftbefehl |
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Wenn Staatsanwaltschaft trotz hinreichenden Tatverdachts Antrag auf Erhebung der öffentlichen Klage keine Folge gibt (oder trotz zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte nicht einmal Ermittlungen einleitet)? |
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Opportunitätsprinzip (Einstellung des Ermittlungsverfahrens, Einschränkung des Legalitätsprinzips) |
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Was bezweckt der Gesetzgeber mit § 153a StPO? |
Einstellung gestattet, bei Vergehen ein bestehendes öffentliches Interesse der Strafverfolgung durch Erfüllung von Auflagen und Weisungen in Wegfall kommen zu lassen. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen, kann die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. Der Beschuldigte ist in diesem Falle nicht vorbestraft. Es wird also verhindert, dass die Deutschen „ein Volk von Vorbestraften“ werden. Insbesondere aber ermöglicht die Einstellung der Staatsanwaltschaft, in Fällen leichter und mittlerer Kriminalität einzustellen und sich mit ganzer Kraft den Fällen schwerer und schwerster Kriminalität zu widmen |
Ermittlungsgrundsatz |
Unter dem Ermittlungsgrundsatz versteht man die Pflicht der Strafverfolgungsorgane, den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und aufzuklären.
Nur so kann die materielle Wahrheit, also der Sachverhalt, der sich tatsächlich ereignet hat, herausgearbeitet und zur Grundlage der gerichtlichen Entscheidung gemacht werden. Grundlage der zivilgerichtlichen Entscheidung ist dagegen der von den Parteien vorgetragene Sachverhalt, die sog. formelle Wahrheit (der Parteien). |
Beweiserhebungsverbot |
So sehr die Strafverfolgungsorgane versuchen müssen, der materiellen Wahrheit auf die Spur zu kommen – sie dürfen dies nicht mit allen Mitteln versuchen. Das zeigt anschaulich § 136a StPO. Daneben gibt es weitere Beweiserhebungsverbote |
Führt jeder Verstoß gegen Beweisermittlungsverbot zu Beweisverwertungsverbot? |
Das ist nicht der Fall, trotz § 136a III 2 StPO |
Nulla poena sine lege |
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Gestattet dieser Grundsatz, nach Begehung einer Straftat eine schwerere Strafe, etwa die Todesstrafe, für eine Straftat einzuführen und Straftäter zum Tode zu verurteilen? |
Nein, der Grundsatz verbietet eine derartige Rückwirkung |
Lässt sich aus dem Grundsatz nulla poena sine lege ein generelles Analogieverbot im Strafrecht herleiten? |
Nein, nur ein Analogieverbot zu Lasten des Angeklagten |
Unschuldsvermutung |
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Kann dieselbe Beweisaufnahme dazu führen, dass Angeklagter im Strafprozess freigesprochen und im Zivilprozess auf Schadensersatz verurteilt wird (O. J. Simpson)? |
Unterschiedliche Ergebnisse in Straf- und Zivilprozess können auf die unterschiedliche Beweislast zurückzuführen sein. So hätte der Satz „in dubio pro“ dann doch eine Bedeutung, und zwar diejenige, dass er auf diesen Sachverhalt aufmerksam macht.
Beispiel: Auch nach umfangreichster Beweisaufnahme in Straf- und Zivilprozess lässt sich nicht klären, ob der Angeklagte aus Notwehr gehandelt hat. Dann wird er im Strafprozess freigesprochen (im Zweifel ist zugunsten des Angeklagten von einer Notwehrlage auszugehen), im Zivilprozess dagegen verurteilt, weil insoweit er die Beweislast für das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen einer Notwehrlage trägt |