Staatsorganisationsrecht
Allgemeines
Recht
Sollensordnung, die mit Zwang durchgesetzt werden kann
- objektives Recht
- subjektive Rechte: begründen Rechtsmacht für den Einzelnen
Gesetz
- formell: Ergebnis eines parlamentarischen Gesetzgebungsverfahrens
- Parlamentsgesetz
- Rechtsverordnung (Art. 80 GG): durch die Exekutivorgane (Regierung, einen Bundesminister oder eine Landesregierung im Auftrag des Gesetzgebers) erlassen = untergesetzliche Rechtsnormen
- Satzung: von einer dem Staat eingeordneten Gebiets- oder Selbstverwaltungskörperschaft im Rahmen der ihr gesetzlich verliehenen Autonomie (mit Wirkung für die ihr angehörenden und unterworfenen Personen) erlassen = untergesetzliche Rechtsvorschriften
- Gewohnheitsrecht
- materiell: allgemeinverbindlicher Inhalt
- Rechtsnorm mit Außenwirkung
- Maßnahmengesetz
- Organisationsgesetz
Staat
Staatsvolk, Staatsgewalt, Staatsgebiet (Drei-Elemente-Lehre, Georg Jellinek 1913)
Juristische Verselbständigung
- juristische Person des öffentlichen Rechts: Zuordnungssubjekt von Rechten und Pflichten (z.B. Handwerkskammern, Ärztekammer, Rechtsanwaltskammer, Kirche)
- öffentliche Wahlempfehlungen halten sich im Normalfall im Rahmen des Art. 5 I GG
- Handlungsfähigkeit durch Organe und Organ-/Amtswalter bzw. Amtsträger
Verfassung
- allgemeine Funktion: Organisation der Staatsgewalt
- Funktion im demokratischen Rechtsstaat:
- Menschenrechte
- Herrschaft des Rechts
- Staatsgewalt beim Volk
- Rechtliches Hauptmerkmal
- Autorität
- Vorrang: Art. 1 III, Art. 20 III GG (lex superior derogat legi inferiori)
- erschwerte Abänderbarkeit: Art. 79 II, III GG (ggf. Mitsprache des Volkes = Referendum, nicht bei Änderungen des GG)
- Autorität
Verfassung und Staatsgewalt
Verfassungsgebende Staatsgewalt (pouvoir constituant) | Verfasste Staatsgewalt (pouvoirs constitués) |
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Volk
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Legislative, Exekutive, Judikative sowie das Volk
Art. 20 II 1, 2 GG: „einfache“ Verfassungsänderungen (Art. 79 GG) |
Auslegungselemente
siehe Einführung in das juristische Denken und Arbeiten#Auslegungsmethoden
Normenhierarchie der Rechtsordnung
Bei Normenkollisionen:
- Anwendungsvorrang anwendbar, wenn Norm für denselben Sachverhalt widersprechende Rechtsfolge vorsieht
- Geltungsvorrang, Art. 31 GG: verdrängter Rechtssatz verliert Geltung
Rückwirkungsverbot
- echte Rückwirkung: Lebenssachverhalt bei Verkündung des Gesetzes abgeschlossen, wird nachträglich belastend geregelt, grundsätzlich unzulässig
- unechte Rückwirkung: Lebenssachverhalt bei Verkündung des Gesetzes noch nicht abgeschlossen, wird nachträglich belastend geregelt, grundsätzlich zulässig
Vorrang des Gesetzes | Befolgungsgebot bzw. Abweichungsverbot von Gesetzen oder Normen ("kein Handeln gegen das Gesetz") |
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Vorbehalt des Gesetzes | Ableitung aus Art. 20 III GG ("kein Handeln ohne Gesetz") |
Geschichte
Entstehungsgeschichte des GG
- 1776: Grundrechteerklärung von Virginia
- 1787: Verfassung der USA
- 1791 ff.: Verfassungen Frankreichs
- 1818: Verfassungen von Baden und Bayern
- 1849: Paulskirchenverfassung (gescheitert)
- 1871: (Bismarck’sche) Reichsverfassung
- 1919: (Weimarer) Reichsverfassung
- 1949: Grundgesetz (GG)
- 1947: Außenministerkonferenzen der Siegermächte in Moskau und London (gescheitert)
- 1948: (drei) Frankfurter Dokumente, Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung für die westlichen Besatzungszonen
- 1948: Herrenchiemseer Verfassungskonvent (Sachverständigenausschuss, einberufen durch westdeutsche Ministerpräsidenten) = Verfassungsentwurf
- 1948: Parlamentarischer Rat (65 Mitglieder, gewählt durch die westdeutschen Landtage in Bonn, Vorsitzender: Konrad Adenauer)
- 1949: Beschluss des GG
- 1949: Genehmigungsschreiben der westlichen Militärgouverneure (USA, GB, F)
- 1949: Annahme durch die westdeutschen Landtage (Ausnahme: Bayerischer Landtag)
- 1949: Ausfertigung und Verkündung durch den Parlamentarischen Rat (Art. 145 I GG), 25.5. um 24 Uhr: Inkrafttreten (Art. 145 II GG)
- 1971: Viermächteabkommen über Berlin
- 1972: Grundlagenvertrag mit der DDR
- 1989: Maueröffnung
- 1990: Staatsvertrag (Währungsunion), Einigungsvertrag (Erstreckung der Geltung des GG auf das Gebiet der ehemaligen DDR), 2+4-Vertrag
Grundgesetz und Saarland
- 1945: Besetzung durch US-amerikanische Truppen, anschließend Übergabe an F (Ziel F: Abtrennung von Deutschland)
- 1955: Saarstatut (abgelehnt durch Volksabstimmung)
- 1956: Luxemburger Vertrag (F+D)
- 1957: Politische Rückgliederung (Grundlage: Art. 23 GG a.F.)
- 1959: Wirtschaftliche Rückgliederung
Staatsziele (Art. 3 II 2, 20a GG)
können jederzeit ohne Beachtung von Art. 79 III GG wieder aufgehoben werden
Umwelt- und Tierschutz | Art. 20a GG |
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Verwirklichung eines vereinten Europas | Art. 23-25 GG |
Friedensgebot | Art. 24 II, 26 GG |
Gewährleistung der Grundversorgung mit Eisenbahnen, Post und Telekommunikation | Art. 87e, 87 GG |
Gesamtwirtschaftliches Gleichgewicht | Art. 109, 2 GG |
Durchsetzung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Mann und Frau | Art. 3 II 2 GG |
Kulturstaatlichkeit (str.) |
Verfassungsprinzipien (Art. 1, 20 I-III GG)
- Wesensmerkmale der Bundesrepublik: sind in ihren Kernaussagen unabänderlich wegen Art. 79 III Fall 3 GG (Ewigkeitsgarantie)
- "Der Staat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Staates willen"
- Wehrhafte Demokratie: Grundgesetz = "Angebotsverfassung": Abhängigkeit vom Einsatz der Bürger (Ausübung und Verteidigung der Freiheiten)
- Verfassungsurkunde, Verbot von Verfassungsdurchbrechungen (Art. 79 I 1 GG)
- "Ewigkeitsklausel" (Art. 79 III GG)
- Verfassungsgerichtsbarkeit (Art. 93, 94, GG)
Rechtsstaat
- Rechtsstaat ist ein Staat, dessen Ziel die Gewährleistung von Freiheit und Gerechtigkeit im staatlich beeinflussbaren Bereich ist und dessen Machtausübung durch Recht und Gesetz begrenzt wird (Gegenbegriff: Willkürstaat)
- Herrschaft von Recht und Gesetz
- Bindung staatlicher Gewalt
- formelle Elemente
- Gewaltenteilung Art. 20 II 2, Art. 1 III GG
- Vorrang (Bindung der Verwaltung an das Gesetz) und Vorbehalt (Verwaltung braucht immer gesetzliche Grundlage für ihr Handeln) des Gesetzes
- Justiz-/Prozessgrundrechte, Verfahrensgarantien
- materielle Elemente
- Grundrechte
- Rechtssicherheit: Vertrauensschutz und Rückwirkungsverbot, Normbestimmtheit
- Verhältnismäßigkeit
- Willkürverbot
Art. 1 III GG | unmittelbare Bindung aller drei Gewalten an die Grundrechte, sonst Verfassungsbeschwerde (Art. 93 I Nr. 4a GG) |
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Art. 19 IV GG | Garantiert dem Bürger, dass ihm grundsätzlich gegen jede mögliche Rechtsverletzung durch Maßnahmen der öffentlichen Gewalt der Rechtsweg offen steht |
Art. 20 II 2 Fall 3 GG |
|
Art. 20 III Fall 1 GG | Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden
|
Art. 20 III Fall 3 GG | Rechtsprechung ist an Gesetz und Recht gebunden |
Art. 28 I 1 GG | verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muss den Grundsätzen des Rechtsstaates i.S.d. Grundgesetze entsprechen (sog. Homogenitätsprinzip) |
Prüfungsschema: Verhältnismäßigkeit
1. Legitimes Ziel
Legitimer Zweck des Gesetzes ist...
2. Bestimmung des Mittels
als Mittel dient...
3. Zweckeignung des Mittels
geeignet ist das Mittel, wenn mit seiner Hilfe das Ziel erreicht werden kann
4. Erforderlichkeit des Mittels
kein anderes, milderes, in gleicher Weise geeignetes Mittel
5. Angemessenheit des Mittels (Verhältnismäßigkeit i.e.S.)
- Welcher Nachteil entsteht dem Grundrechtsträger?
- Welche Rechtsgüter sind betroffen? Rang des beeinträchtigten Rechtsguts?
- Intensität des Eingriffs
- Welchen Vorteil will der Gesetzgeber erreichen?
- Welche Rechtsgüter werden geschützt? Rang des geschützten/geförderten Rechtsguts?
- Kann der Schutz des Rechtsguts aufgrund gebotener Eile oder drohender Gefahr nur mit einer besonders einschneidenden Maßnahme erreicht werden?
Bundesstaat
Ableitung: Art. 20 I GG ("Bundesstaat"), Art. 23 I 1 GG ("föderative Grundsätze") sowie aus Vorschriften des GG, die vom Vorhandensein von Bund und Ländern ausgehen, insbesondere in denen Zuständigkeiten verteilt werden (z.B. Art. 30 GG, Einzelfallgerechtigkeit)
- Bundesstaat:
Gesamtstaat, bei dem die Ausübung der Staatsgewalt auf einen Zentralstaat (Bund) und mehrere Gliedstaaten (Länder) aufgeteilt ist
(vgl. Art. 79 III Fall 1 GG) - Einheitsstaat: nur eine (vertikale) Staatsgewalt, Staatstätigkeit geht von einer "Zentrale" aus (z.B. Französische Republik)
- Staatenbund: Zusammenschluss souveräner Staaten zur Wahrnehmung gemeinsamer Interessen (z.B. Benelux-Staaten, Deutscher Bund 1815-1866)
- Staatenverbund: EU
Zweck: vertikale Gewaltenteilung (vgl. Art. 79 III Fall 2 GG) sowie die Dezentralisation der Staatsgewalt mit stärkerer Beachtungsmöglichkeit für regionale Besonderheiten
- Verhältnis von Bund und Ländern: Verschränkung (Funktionen der drei Staatsgewalten sind z.T. bewusst verzahnt, um gegenseitige Kontrolle zu ermöglichen, z.B. BKanzler wird vom BTag gewählt Art. 63 GG) der föderativen Gewalten
- Bundesgesetzgebung: Mitwirkung der Länder über den Bundesrat Art. 76 III, 77 II-IV GG
- Landesgesetzgebung: Vorrang von Bundesrecht Art. 31 GG, Vorgaben für das Landesrecht
- Bundespräsident: Wahl unter Beteiligung der Länder Art. 54 GG
- Verwaltung: Ausführung von Bundesrecht grds. durch die Länder Art. 83, 84 GG
- Rechtsprechung: grds. durch Gerichte der Länder (Art. 92 GG), aber oberste Gerichtshöfe des Bundes und BVerfG (Art. 93-95 GG)
- Finanzen und Haushalt:
- Steuergesetzgebungskompetenzen überwiegend beim Bund Art. 105 II GG
- Zustimmungsvorbehalte des Bundesrates Art. 105 III GG
- Gemeinschaftssteuern Art. 106 III GG
- Finanzausgleich Art. 107 II GG
- Schuldenbremse Art. 109 III GG
- Mischfinanzierung z.B. Finanzhilfen des Bundes Art. 104b, 104c GG
- Grundsatz der Bundestreue: Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten
- kooperativer Föderalismus:
- Gemeinschaftsaufgaben Art. 91a ff. GG
- gemeinsam getragene Ausgaben Art. 104a III, 104b, 104c, 104d, 91a III, 91b III GG
- Staatsverträge, Verwaltungsabkommen
- gemeinsame Einrichtungen
- informelle Kontakte
- "Unitarischer Bundesstaat": Einheit durch Stärkung der Zentralgewalt
Landeseigenverwaltung
- Ausführung der Bundesgesetze durch die Länder (Art. 84 GG) als eigene Angelegenheit
- Regelfall des Vollzugs von Bundesgesetzen (Art. 83 GG)
- Aufsicht des Bundes beschränkt sich auf Rechtmäßigkeitskontrolle (Art. 84 III GG)
Bundesauftragsverwaltung
- ebenfalls eine Form des Vollzugs von Bundesgesetzen durch die Länder (Art. 85 I 1 GG)
- Bund darf auch die Zweckmäßigkeit des Vollzugs prüfen (Art. 85 I GG)
- Weisungsrecht des Bundes gegenüber Ländern (Art. 85 III GG)
Kommunale Selbstverwaltung
- Ausdruck der Dezentralisierung
- Kommunalwahlen: Gemeinderäte, Stadträte, Kreisräte
Art. 28 II GG | |
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Gemeinden (auch Städte) | Kommunen: juristisch selbständige Gebietskörperschaften ("Töchter") der Länder |
Gemeindeverbände (Landkreise) |
Demokratie
Volksherrschaft = Volkssouveränität (Art. 20 II 1 GG)
- repräsentative Demokratie: Wahl von Abgeordneten (Repräsentanten) in Parlamente
- Ausgleich: Rückbindung, insb. durch
- wiederkehrende Wahlen Art. 39 GG
- Parteien Art. 21 I GG
- öffentliche Meinung Art. 5 I GG
- Versammlungen (Demonstrationen) Art. 8 GG
- Interessengruppen Art. 9 GG
- Ausgleich: Rückbindung, insb. durch
- unmittelbare (direkte, plebiszitäre) parlamentarische Demokratie: Sachentscheidungen durch Volksabstimmungen
- Referendum: unverbindliche Volksbefragung
- Plebiszit: Volksbegehren, Volksentscheid
Staatsgewalt | ursprüngliche, grds. unbeschränkte und unabgeleitete Herrschaftsmacht |
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Legitimität | Anerkennungswürdigkeit aus der Sicht der Gewaltunterworfenen ("Rechtfertigung") |
Legitimation | erfolgreicher Prozess zur Herstellung von Legitimität (durch Repräsentation) |
Art. 20 II 1 GG | Art. 20 II 2 Fall 1 GG | Art. 20 II 2 Fall 2 GG | Art. 20 II 2 Fall 3 GG |
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Träger der Staatsgewalt ist nur das Volk | Staatsgewalt wird vom Volk in Wahlen ausgeübt:
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Staatsgewalt wird vom Volk in Abstimmungen ausgeübt:
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Staatsgewalt wird vom Volke durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt
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Weitere Fallgruppen:
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Opposition
- Wesensmerkmal der FDGO (freiheitlich demokratischen Grundordnung)
- Gegenpol zu Regierung und Regierungsfraktion(en): "innerparlamentarischer Dualismus"
- personell-programmatische Alternative(n)
- Kontrolle: Mehrheitsprinzip (Art. 42 II GG) – Minderheitenschutz (Art. 23 Ia 2, 39 III 3, 44 I, 93 I Nr. 1, 2 GG)
- aber: keine Privilegierung der Oppositionsfraktionen, arg. Art. 38 I 2 GG (Gleichheit der Abgeordneten)
Republik
- formelles Verständnis: Freistaat, Souverän durch einen vom Volk gewählten Berufungsakt (Wahl) auf Zeit bestimmt, "Nicht-Monarchie"
- Monarchie: Staatsoberhaupt wird nach erbrechtlichen (dynastischen) Regelungen bestimmt und auf Lebenszeit bestellt
- absolute: Monarch an keine Verfassung gebunden, handelt nach eigenem Willen mit Gesetzeskraft
- konstitutionelle: Herrscher an die Verfassung gebunden, Zusammenspiel mit übrigen Trägern der Staatsgewalt, Staatsoberhaupt hat aber im Zweifel das letzte Wort
- parlamentarische: rein repräsentatives Oberhaupt, keine rechtlich relevanten Befugnisse, diese werden alleine vom jeweils zuständigen Parlament ausgeübt
- Monarchie: Staatsoberhaupt wird nach erbrechtlichen (dynastischen) Regelungen bestimmt und auf Lebenszeit bestellt
- materielles Verständnis
- freiheitlich-demokratische Staatsverfassung
- Verpflichtung auf das Gemeinwohl (insb. Unbefangenheit und Unparteilichkeit der öffentlich Bediensteten)
Sozialstaat
- "ob": Staatsgrundlagenbestimmung, Staatsstrukturmerkmal (Garantie von Mindeststandards: Art. 3 III 2, 6 IV, 14 II, 74 I GG)
- "wie weit": Staatszielbestimmung (Politik)
- 19. Jh.: bürgerlicher Rechtsstaat = Sicherung von Freiheit und Eigentum
- 20. Jh.: sozialer Rechtsstaat = Ausgleich zwischen Freiheit und Gleichheit
- Sozialversicherung (RV, KW, PV, UV, AIV)
- soziale Fürsorge (Sozial-, Kinder-, Jugendhilfe, Leistungen für Asylbewerber, Flüchtlinge u.a.)
- soziale Entschädigung (insb. Opferentschädigung)
- sozialer Ausgleich (Kinder-, Eltern-, Wohngeld, "BAföG")
- Daseinsfürsorge (Wasser, Strom, Gas ÖPNV, Schulen etc.)
- Arbeitsrecht, Familienrecht
- Steuerrecht, -system (insb. EStG)
Wahlen
Wahlgrundsätze
Inhalt/Schutzbereich | rechtmäßiger Eingriff | rechtswidriger Eingriff | |
---|---|---|---|
Unmittelbarkeit | keine weitere Entscheidungsinstanz zwischen Wählerstimme einerseits und Ermittlung der konkreten Abgeordnetensitze im BT andererseits | z.B. durch Listenwahl gem. § 4, 27 BWG wegen Art. 21 I 1 GG | z.B. durch Einschaltung eines Wahlmännergremiums |
Freiheit | kein öffentlicher oder privater Zwang auf das "ob" und "wie" der Wahlentscheidung, erfasst wird auch das Wahlvorschlagsrecht von Parteimitgliedern | z.B. durch gesetzliche Regelung einer Wahlpflicht wegen Art. 20 II GG (Gegenmeinung: Art. 2 I GG) | z.B. durch "Wahlwerbung auf Staatskosten" |
Geheimheit | Recht des Wählers, den Inhalt seiner Wahlentscheidung für sich zu behalten und Pflicht des Staates, Vorkehrungen organisatorischer Art beim Wahlvorgang vorzunehmen | z.B. durch Möglichkeit der Briefwahl gem. § 36 BWG | z.B. eine Online-Wahl, da Gesetzgeber verpflichtet ist, die Geheimhaltung der Wahl zur Verfügung zu stellen |
Allgemeinheit | grundsätzlich muss allen Deutschen ab 18 Jahren uneingeschränkt die Möglichkeit offen stehen, zu wählen (aktives Wahlrecht, § 12 BWG) und gewählt zu werden (passives Wahlrecht, § 15 BWG); erfasst wird auch das Recht des Bürgers oder Parteimitglieds, Wahlvorschläge zu machen
Ausländerwahlrecht: grds. nicht zulässig (Art. 20 II 1, 28 I 2, Präambel, 116 GG "Staatsangehörige", Volk = deutsches Staatsvolk), könnte nur eingefügt werden durch Änderung der §§ 12, 15 BWG |
rechtmäßige Ungleichbehandlung: z.B. bei der Wählbarkeit von Beamten und sonstigen Personen wegen Inkompatibilität gem. Art. 137 GG, z.B. i.V.m. § 5 AbgG | rechtswidrige Ungleichbehandlung: wenn Personen erst ab einem bestimmten Alter oder bei ausreichender beruflicher Erfahrung wählbar wären |
Gleichheit | grundsätzlich sollen alle Wähler mit ihren Stimmen (Gleichheit jeder Stimme = Zählwertgleichheit) den gleichen Einfluss auf das Wahlergebnis haben (aktive Wahlrechtsgleichheit, Erfolgswertgleichheit) und alle Wahlkandidaten sollen bei Wahlen die gleiche Chance haben (passive Wahlrechtsgleichheit) | Probleme bei aktiver Wahlrechtsgleichheit:
|
rechtswidrige Ungleichbehandlung: z.B. bei "Wahlwerbung auf Staatskosten" |
Öffentlichkeit (ungeschrieben) | umfasst Wahlvorschlagsverfahren, Wahlhandlung, Ermittlung des Wahlergebnisses: Ordnungsgemäßheit und Nachvollziehbarkeit des Wahlvorgangs | BVerfG: Wahlcomputer gem. § 35 BWG (Öffentlichkeit kann nicht mehr alle wesentlichen Schritte der Wahl überprüfen) |
Wahlsystem
- Zahl der zu wählenden Abgeordneten: 598 (§ 1 I 1 BWG) durch personalisierte Verhältniswahl (Mischwahlsystem gem. § 1 I 2 BWG)
- Erststimme: Mehrheitswahl (§ 5 S. 2 BWG), 299 nach Kreiswahlvorschlägen in den Wahlkreisen gem. §§ 19-26 BWG, sog. Direktmandate
- Zweitstimme: Verhältniswahl (§ 6 II BWG), 299 nach Landeswahlvorschlägen/Landeslisten gem. §§ 27-29, 1 II BWG, sog. Listenmandate
- Verteilung der Sitze (§ 6 BWG)
- 1. Stufe: Verteilung auf die Landeslisten der Parteien (Sitzkontingente nach Bevölkerungszahl)
- Zusammenzählung der für jede Landesliste abgegebenen Zweitstimmen, die Gesamtzahl der Sitze wird den Ländern nach deren Bevölkerungsanteil zugeordnet, so ermittelte Sitzzahl wird auf Grundlage der zu berücksichtigenden Zweitstimmen den Landeslisten zugeordnet
- 5%-Sperrklausel, sofern nicht mindestens drei Direktmandate errungen wurden (Grundmandatsklausel) oder eine Partei nationaler Minderheiten vorliegt
- Von der für jede Landesliste ermittelten Sitzzahl wird die Zahl der von der Partei in den Wahlkreisen des Landes erhobenen Direktmandate abgerechnet (§ 6 IV S. 1 BWG), die restlichen Sitze werden streng nach der Reihenfolge der jeweiligen Landesliste besetzt
- erringt eine Partei mehr Direktmandate als ihr nach der Sitzzahl (nach Auswertung der Zweitstimmen) zustehen, verbleiben ihr auch diese Sitze als sog. Überhangmandate (§ 6 IV S. 2 BWG)
- Zusammenzählung der für jede Landesliste abgegebenen Zweitstimmen, die Gesamtzahl der Sitze wird den Ländern nach deren Bevölkerungsanteil zugeordnet, so ermittelte Sitzzahl wird auf Grundlage der zu berücksichtigenden Zweitstimmen den Landeslisten zugeordnet
- 2. Stufe: Ausgleichsverfahren bei Überhangmandaten
- gem. § 6 V/VI BWG erfolgt ein vollständiger Ausgleich für die anderen Parteien, die kein Überhangmandat errungen haben (Ausgleichsmandate), damit entspricht die endgültige Sitzverteilung im Bundestag exakt dem Zweitstimmenanteil aller Parteien bei der jeweiligen Bundestagswahl
- 1. Stufe: Verteilung auf die Landeslisten der Parteien (Sitzkontingente nach Bevölkerungszahl)
Verfassungsorgane
Bundestag
Art. 38-48 GG, Geschäftsordnung des Bundestages (GO BT)
Zuständigkeit und Aufgaben
- Wahl-/Kreationsfunktion: Wahl wichtiger Staatsorgane
- Kontrollfunktion: Kontrolle der Exekutive (z.B. Interpellationsrecht)
- Gesetzgebung- und BudgetR: z.B. gem. Art. 77 I, 110 II GG
- Repräsentationsfunktion: Art. 20 II (repräsentative Demokratie), Art. 38 I 2 (Abgeordnete als Vertreter des Volkes) GG
Diskontinuität
persönlich und sachlich: mit Ablauf der Legislaturperiode (Periodizität der Wahlen, Art. 39 I GG: "Herrschaft auf Zeit") wechseln die persönliche Zusammensetzung des Parlaments und auch die Sachgegenstände (z.B. erledigen sich Gesetzesinitiativen, sofern sie das Hauptverfahren im Bundestag noch nicht durchlaufen haben vgl. § 125 GO BT)
Organ-Kontinuität
Rechtshandlungen des Bundestages mit Außenwirkung bleiben auch nach dem Ende der jeweiligen Wahlperiode wirksam und für den nächsten Bundestag bindend
Vorzeitige Auflösung
Selbstauflösung nicht vorgesehen und nicht zulässig
- Art. 63 IV 3 GG: Wahl des Bundeskanzlers scheitert (dann Minderheitskanzler oder Bundespräsident entscheidet sich für Auflösung und somit Neuwahlen)
- Art. 68 I 1 GG: Vertrauensfrage
- formelle Auflösungslage
- Antrag des BKanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen
- Scheitern des Antrags (fehlende Zustimmung der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages)
- Bundeskanzler muss dem Bundespräsidenten den Vorschlag unterbreiten, den Bundestag aufzulösen
- materielle Auflösungslage (BVerfG)
- instabile politische Verhältnisse
- formelle Auflösungslage
Bundestagspräsident
- gesetzliche Regelungen z.B. Art. 40 GG und §§ 19 II, 20 GG
Ausschüsse (Art. 44 ff GG, §§ 12, 54 ff. GO BT)
- Aufgaben: gem. § 62 GO BT Erstellen von mehrheitsfähigen Beschlussvorlagen (Prinzip der Spiegelbildlichkeit von Plenum und Ausschüssen)
- Arten:
- Pflichtausschüsse gem. Art. 45, 45a, 45c GG
- freiwillige Ausschüsse
- zuständige Fachausschüsse für den Sachbereich eines jeden Ministeriums gem. § 54 I 1 Go BT
- zeitweilige Ausschüsse, wie z.B. der Untersuchungsausschuss gem. Art. 44 GG oder die Enquete-Kommission gem. § 56 GO BT – neben Abgeordneten können auch externe Mitglieder sein
Abgeordnete
- Gesetzliche Regelungen: Art. 38 I 2, 46-48 GG; Abgeordnetengesetz; GO BT
- freies Mandat:
- ohne an Aufträge und Weisungen gebunden zu sein (kein imperatives Mandat)
- jeder Abgeordnete vertritt das ganze Volk
- Teilnahmerecht, Rederecht, Stimmrecht, Antragsrecht, Recht auf Information, Fraktionsbildungsrecht, Recht auf Gleichbehandlung mit anderen Abgeordneten (formale Statusgleichheit § 57 II 2 GO BT)
- Einschränkungsmöglichkeiten ("Spannungsverhältnis"):
- Parteiprinzip (Art. 21 I GG, § 1 II PartG): Ordnungsmaßnahmen oder Ausschluss aus der Partei gem. § 10 III, IV PartG
- Effektivitätsprinzip (Art. 20 II GG): Volksvertretung ist ein Kollegialorgan und Abgeordnetenrechte sind im Wesentlichen organschaftliche Mitgliedschaftsrechte, die aus Gründen der Funktions- und Repräsentationsfähigkeit des BTages eingeschränkt werden müssen
- Fraktionsprinzip (Art. 21 I GG, § 1 II PartG, § 47 I AbgG):
- Fraktionsdisziplin: Bestreben der Fraktion, ein einheitliches Auftreten in der parlamentarischen Arbeit zu erreichen
- Fraktionszwang: sanktionsbewehrte Verpflichtung des Abgeordneten, nach dem Votum seiner Fraktion abzustimmen (Mandatsverlust durch Fraktionsausschluss h.M.)
- Prinzip der Spiegelbildlichkeit von Plenum und Ausschuss: in Bezug auf das politische Kräfteverhältnis im Plenum (Art. 20 II 2 GG und Art. 38 I 2 GG)
- Indemnität Art. 46 I GG (Redefreiheit, Wortprivileg der Bundestagsabgeordneten):
- Voraussetzungen: Abstimmung oder Äußerung des Abgeordneten im Bundestag, in einem seiner Ausschüsse oder in der Fraktion
- Rechtsfolge: grundsätzlich dauerndes Verfahrenshindernis bzgl. aller gerichtlichen oder dienstlichen Verfolgungen (Ausnahme: verleumderische Beleidigung)
- gilt lebenslänglich, allerdings nicht für Äußerungen außerhalb des Parlaments
- Immunität Art. 46 II-IV GG:
- Voraussetzungen: Verhaftung eines Abgeordneten oder Ermittlung gegen einen Abgeordneten wegen einer Straftat oder OWi (str.)
- Rechtsfolge: grds. zeitweiliges Verfahrenshindernis, solange der Abgeordnete dem Parlament angehört
- Ausnahme: Zustimmung des BTages (Aufhebung der Immunität) oder Festnahme bei Begehung der Tat oder im Laufe des folgenden Tages
- Gegenausnahme: Aussetzungsverlangen des BTages gem. Art. 46 IV GG (Reklamationsrecht)
- Verlust des Bundestagsmandats nach § 46 I BWG
Fraktionen
- Art. 53a S. 2 GG
- § 45 AbgG: Mitglieder des Bundestages können sich zu Fraktionen zusammenschließen, die Fraktionen wirken an der Erfüllung der Aufgaben des Deutschen Bundestages mit
- § 10 I 1 GOBT: Fraktionen sind Vereinigungen von mindestens fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages, die derselben Partei oder solchen Parteien angehören, die aufgrund gleichgerichteter politischer Ziele in keinem Land miteinander im Wettbewerb stehen
- politische Willensbildung im BTag vollzieht sich maßgeblich in den einzelnen Fraktionen
Gruppen
- nur materielle Fraktionsrechte
Bundespräsident
Bundesrat
Art. 50-53 GG, Geschäftsordnung des Bundesrates (GO BR)
- Mitglieder der Landesregierungen (Art. 51 I 1 GG)
- Vertretungsmöglichkeit, Art. 51 I 2 GG
- Weisungsgebundenheit
- Gebot der einheitlichen Stimmabgabe (Art. 51 III 2 GG)
- keine Diskontinuität
- weder Indemnität noch Immunität
Verfahren
- im Bundesrat: grds. ausreichend ist die Mehrheit der Stimmen des BRates (Art. 52 III 1 GG), Stimmenthaltungen sind unzulässig und Stimmen eines Landes müssen einheitlich angegeben werden (Art. 51 III 2 GG)
- in den Ausschüssen: §§ 36-45 GO BR
- in Angelegenheiten der EU: §§ 45a, 45e-k GO BR
- Bundesratspräsident (Art. 52 I GG, §§ 5, 6 GO BR)
- Ausschüsse (§§ 1, 12 GO BR)
- Europakammer (§§ 45b-d GO BR)
Bundesregierung
Art. 62-69 GG, Geschäftsordnung der Bundesregierung (GO BReg), Bundesministergesetz, Gesetz über parlamentarische Staatssekretäre
Bundeskanzler | Bundesminister | Bundesregierung | Regierungskrisen |
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Bundesverfassungsgericht
- Art. 93, 94 GG: Gericht und Verfassungsorgan (Richter, Geschäftsordnungsautonomie, Unabhängigkeit von Ministerien)
- Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht: Art. 93 GG, Enumeration (sonst insb. Verfassungsbeschwerde)
- kontradiktorisch: Organstreit oder föderative Streitigkeiten
- objektive Rechtsbeanstandung: abstrakte/konkrete Normenkontrolle
Parteien
- Teilrechtsfähige Vereinigungen des Privatrechts (i.d.R. nicht rechtsfähige Vereine), vgl. §§ 2 und 3 PartG
- Recht auf freie, dauernde Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes: Art. 21 I 1 GG i.V.m. § 1 PartG
- Recht auf Gründungsfreiheit: Art. 21 I 2 GG (abgeleitet: Mehrparteiensystem, abgesichert durch Demokratieprinzip)
- Parteienprivileg: Art. 21 II, IV GG (Verstoß z.B. bei Ablehnung öffentlicher Leistungen wegen verfassungsfeindlicher Zielsetzung)
- Chancengleichheit: Parteien untereinander, während des Wahlkampfes durch Art. 21 i.V.m. Art. 38 I 1 GG
- Ausschluss von Mitgliedern: unter strengen Voraussetzungen (§ 10 IV PartG)
- vorsätzlicher Satzungsverstoß (nicht: ungeschriebene Mitgliedspflichten, z.B. Treuepflicht
- erheblicher Verstoß gegen die Grundsätze oder die Ordnung der Partei
- dadurch entstandener schwerer Schaden für die Partei
- Parteibegriff (§ 2 I 1 PartG)
- Ziel, an Wahlen teilzunehmen, um Repräsentanten in einer Volksvertretung zu positionieren, um dort politischen Einfluss nehmen zu können
- ernsthaft und dauerhaftes Verfolgen eines politischen Programms und einer politischen Aktivität
- klare demokratische Organisationsstruktur
- staatliche Teilfinanzierung: teilweise staatliche Parteienfinanzierung (§§ 18-22 PartG)
- offene Parteienfinanzierung: unmittelbar (z.B. gem. § 18 III und IV PartG) und mittelbar (z.B. durch steuerliche Begünstigungen für Senden und Beiträge an Parteien)
- verdeckte Parteienfinanzierung: unzulässig
- vollständige Parteienfinanzierung: unzulässig
- Pflichten
- innere Ordnung der Partei muss demokratischen Grundsätzen entsprechen (Art. 21 I 3 GG)
- mittelbare Geltung der Wahlrechtsgrundsätze aus Art. 38 I 1 GG, z.B. bei Aufstellung der Landesliste für Bundestagswahlen
- mittelbare Geltung der Grundrechte im privatrechtlichen Verhältnis Partei/Parteimitglied, z.B. Quotierung auf der Landesliste (Art. 3 II 1 GG)
- Parteiverbot durch BVerfG bei massiven Verstößen gem. Art. 21 II, IV, 93 I Nr. 5 GG und §§ 13 Nr. 2, 43 ff. BVerfGG
- bei Ausrichtung gegen freiheitlich demokratische Grundordnung (FDGO): Ausschluss von staatlicher Parteienfinanzierung durch BVerfG (Art. 21 III, IV GG)
- Rechenschaftspflicht und Transparenzgebot (Art. 21 I 4 GG)
- Konkretisierung durch §§ 23-31 PartG
- Sanktion bei Verletzung dieser Pflicht gem. §§ 31a-d PartG
- innere Ordnung der Partei muss demokratischen Grundsätzen entsprechen (Art. 21 I 3 GG)
- Koalitionsvereinbarungen
- Inhalt: Einigung zwischen zwei oder mehreren im Parlament vertretenen Parteien über die Bildung einer gemeinsam getragenen Regierung (personelle Komponente) und deren politisches Aktionsprogramm (sachliche Komponente)
- Rechtsnatur und Verbindlichkeit: keine rechtsverbindlichen Verträge, sondern Absprachen mit politischer Bedeutung unter dem Vorbehalt ("Geschäftsgrundlage") der politischen Harmonie, h.M.
- Aus Ablehnung eines Vertragscharakters folgt auch die Nichteinklagbarkeit von etwaigen Pflichtverletzungen der Koalitionsparteien
- Prüfungsmaßstab bzw. Grenze (insb. Art. 64 I und Art. 65 S. 1 und 2. GG): Bundeskanzler darf in seinen Entscheidungen nur politisch, nicht aber rechtlich beschränkt sein, insb. nicht zum bloßen Vollzugsorgan der Parteien werden
Gesetzgebungskompetenzen
- Vorschriften Art. 70-74 GG
- Sondergesetzgebungskompetenz für Steuern Art. 105 GG
- Grundsätzlich Länder (Art. 30, 70 GG), wichtige "Reservate": Polizei, Kommunales, Kultus
- Ausnahme: Bund (Art. 71 ff. GG), Schwergewicht in der politischen Wirklichkeit
- Art. 31 GG: Bundesrecht bricht Landesrecht, Normbefehle auf dem gleichen Gebiet der Gesetzgebung, sowohl Bund als auch Länder haben Kompetenz zur Gesetzgebung
- Kompetenz vor Kollision
ausschließliche (Art. 71, 73 GG) | konkurrierende (Art. 72, 74 GG) | ungeschriebene |
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Gesetzgebungsverfahren
Vorverfahren, Einleitungsverfahren | Einleitung = Gesetzesinitiative | Art. 76 I GG | BT, Art. 77 I GG, §§ 75 ff. GOBT
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Hauptverfahren |
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BT Plenum (§§ 75 ff. GOBT)
1. "Lesung", dann zuständiger Ausschuss (Beratung, § 80 GOBT) 2. "Lesung" 3. "Lesung", anschließend Gesetzesbeschluss (Art. 77 I 1 GG) Zuleitung an Bundesrat (Art. 77 I 2 GG) | ||
Einspruchsgesetze | Zustimmungsgesetze | ||||
bei Einspruchsgesetzen muss, bei Zustimmungsgesetzen kann Vermittlungsausschuss (Art. 77 II GG) angerufen werden: besteht aus je 16 Mitgliedern des BTages und BRates | |||||
BR | Einspruch (Art. 77 III GG) | Zustimmung (Art. 77 2a GG) | |||
BT | Zurückweisung (Art. 77 IV GG) | oder: "Veto", dann gescheitert | |||
Zustandekommen des Gesetzes (Art. 78 GG) | |||||
Abschlussverfahren | Ausfertigung (BP)
Verkündung (BGBl.) |
Art. 82 I GG | Gegenzeichnung | BKanzler, BMinister (Art. 58 S. 1 GG) | |
Ausfertigung | BPräsident
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Verkündung | im BGBl. durch BMJ |
Verfassungsmäßigkeit
Prüfungsschema: Verfassungsmäßigkeit
1. Formelle Verfassungsmäßigkeit
a) Zuständigkeit (Bund oder Land, Art. 70 ff. GG)
- Grundsatz der Art. 70 I, 30 GG: Länder haben das Recht zur Gesetzgebung, soweit nicht das GG dem Bund Gesetzgebungsbefugnisse verleiht (einschlägige Kompetenztitel)
- ausschließliche Kompetenz des Bundes, Art. 71, 73 GG: ohne entsprechende Ermächtigung dürfen Länder in diesem Gebiet nicht tätig werden
- konkurrierende Kompetenz des Bundes, Art. 72 II, III GG: Bund und Länder gleichermaßen zur Gesetzgebung befugt, Länder dürfen jedoch nur tätig werden, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit keinen Gebrauch gemacht hat
- ungeschriebene Gesetzgebungskompetenz kraft Sachzusammenhangs, kraft Natur der Sache und kraft Annexes
b) Verfahren (Art. 76 ff. GG)
- Gesetzesinitiative, Art. 76 GG: BReg, BRat, Mitte des BTages (Fraktion oder 5% der Mitglieder des Bundestages)
- Hauptverfahren: ordnungsgemäßer Beschluss des BTages, Art. 77 I GG
- ordnungsgemäße Mitwirkung des Bundesrates, Art. 88 II-IV, 78 GG
c) Form (Art. 82 GG)
- Ausfertigung und Verkündung, Art. 82 I 1 GG
2. Materielle Verfassungsmäßigkeit
a) Kein Verstoß gegen Grundrechte
b) Kein Verstoß gegen Grundsätze des Art. 20 GG, insbesondere
- Rechtsstaatsprinzip
- Bestimmtheitsgebot: Rechtsvorschrift muss klar zum Ausdruck bringen, welche Auswirkungen die gesetzliche Regelung für den Bürger hat
- Rückwirkungsverbot
- echte Rückwirkung: Gesetz greift nachträglich ändernd in abgeschlossene, der Vergangenheit angehörende Tatbestände ein (wenn belastend grds. unzulässig)
- zulässig: wenn kein schutzwürdiges Vertrauen des Bürgers besteht, wenn ausnahmsweise zwingende Gründe des öffentlichen Wohls überwiegen oder ein Bagatellfall vorliegt
- unechte Rückwirkung: Gesetzgeber greift in Tatbestände ein, die in der Vergangenheit begonnen, jedoch noch nicht abgeschlossen wurden (grds. zulässig)
- unzulässig: wenn ein schutzwürdiges Vertrauen beim Bürger besteht und dieses gegenüber dem Allgemeinwohl Vorrang hat
- echte Rückwirkung: Gesetz greift nachträglich ändernd in abgeschlossene, der Vergangenheit angehörende Tatbestände ein (wenn belastend grds. unzulässig)
- Verhältnismäßigkeit des Gesetzes
- Demokratie- und Sozialstaatsprinzip
Verwaltungsrecht
Verwaltungskompetenzen
Trennung zwischen Bund und Ländern, grds. Verbot der Mischverwaltung
- gesetzesakzessorische Verwaltung (= Ausführung von Gesetzen): differenzierte Kompetenzverteilungen, Art. 83 ff. GG (Asymmetrie zwischen Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen)
- Ausführung von Landesgesetzen: Art. 30 Hs. 1 GG
- Ausführung von Bundesgesetzen
- Landeseigenverwaltung, Art. 83, 84 GG
- Landesverwaltung im Auftrag des Bundes, Art. 85 GG
- Bundes(eigen-)verwaltung, Art. 86 ff. GG
- nicht gesetzesakzessorische Verwaltung: Art. 30 Hs. 1 GG (zulässige andere Regelungen, insbesondere Staatsleitung bzgl. Gesamtstaat)
Öffentlicher Dienst
- i.e.S.: öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis (Beamte, Richter, Berufssoldaten)
- i.w.S.: privatrechtliches Arbeitsverhältnis (Arbeitnehmer, Beschäftigte)
- nicht: andere öffentlich-rechtliche Amtsverhältnisse (z.B. Minister, Staatssekretäre, Notare)
Staatsdiener-Verfassungsrecht i.e.S.
- Art. 33 IV GG: Funktionsvorbehalt für hoheitsrechtliche Befugnisse
- Art. 33 II GG: "Bestenauslese"
- Art. 33 V GG: hergebrachte Grundsätze des Berufsbeamtentums
Amtshilfe
- Art. 35 I GG: Unterstützung auf Ersuchen, Einheit des Staatsorganismus trotz Gewaltenteilung
- Amtshilfe i.e.S.: ersuchte Stelle (Behörde)
- Rechtshilfe: ersuchte Stelle (Gericht)
Amtshaftung (Art. 34 GG)
Rechtsfolge: Schadensersatz in Geld (befreiende Schuldübernahme durch den Staat)
Finanzstaat
(Sozial-)Staat
Politikgestaltung/Machtausübung durch Geld
- Nehmen: Abgaben (Steuern u.a.)
- Geben: Subventionen, Sozialleistungen
Finanzverfassung (Art. 104a-115 GG)
- Haushalt (Art. 109, 109a GG grundsätzlich für Bund und Länder): Haushalt des Bundes Art. 110-115 GG, Haushalte der Länder in LVerf
- Einnahmen (insbesondere Steuerverteilung Bund–Länder Art. 106, 107 GG einschließlich Finanzausgleich)
- Ausgaben: Lastenzuteilung Bund–Länder Art. 104a GG (Art. 104b f., 91a ff. GG u.a.)
Staatsverschuldung
"Schuldenbremse", Art. 109 III, Art. 115 II GG
Rechtsprechung
Richtervorbehalt
Art. 92 Hs. 1 GG (unabhängige, von den anderen Staatsgewalten strikt getrennte Gewalt)
- Art. 97 I GG: sachliche Unabhängigkeit
- Art. 97 II GG: persönliche Unabhängigkeit
"Recht-Sprechen"
- letztverbindliches und -verantwortliches Wahren des Rechts
- bei Rechtsstreitigkeiten: nur am Maßstab von Gesetz und Recht, durch unabhängige Instanz, in Form einer verbindlichen Entscheidung
- auf Antrag (Klage): in gesetzlich geordnetem, grundsätzlich öffentlichem Verfahren
Staatliche Gerichtsbarkeit
Art. 92 Hs. 2 GG
- Gerichte des Bundes
- Art. 93, 94 GG: Bundesverfassungsgericht
- Art. 95 GG: oberste Gerichtshöfe
- Art. 96 GG: sonstige Bundesgerichte
- Gerichte der Länder
- alle übrigen Gerichte, insbesondere AG, LG, OLG
Mehrheiten
Mitgliedermehrheit |
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Abstimmungsmehrheit |
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Relative |
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Einfache |
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Absolute |
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Qualifizierte |
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Übungsfälle
typische Klausurfragen mit Lösungsskizzen
Paritätische Frauenquote auf der Landesliste |
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Wahlcomputer |
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Schranken der Öffentlichkeitsarbeit der Regierung + Parteifreiheit |
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Entzug des Rederechts eines Abgeordneten |
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Kanzlerwahl |
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Vertrauensfrage | Voraussetzungen für ein Auflösungsrecht des Bundespräsidenten nach einer Vertrauensfrage Art. 81 I 2 GG
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Prüfungsrecht des Bundespräsidenten | Art. 82 GG: darf/muss er die Unterzeichnung eines Gesetzes verweigern? (Ausfertigung = Unterzeichnung des Gesetzeskunde und Anordnung der Verkündung im Bundesgesetzblatt)
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Gesetzgebungsverfahren |
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Wahlwerbung auf Staatskosten |
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Volksabstimmungen |
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Verlängerung der Wahlperiode |
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Oppositionsrechte + Minderheitenrechte |
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Unzulässige Rückwirkung |
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Parlamentsvorbehalt + Bestimmtheitsgebot (Volkszählung, sog. Zensus) |
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Allgemeinheit der Wahl + personelle Gewaltenteilung |
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Unmittelbarkeit der Wahl (Landeslisten) |
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Aktive Wahlrechtsgleichheit (5%-Sperrklausel) |
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Aktive Wahlrechtsgleichheit + Chancengleichheit der Parteien |
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Freies Mandat (Verfassungsschutz) |
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Recht auf Information |
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Richtlinienkompetenz + Ressortprinzip |
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Äußerungen eines Bundesministers |
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Äußerungen des Bundespräsidenten ("Spinner") |
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Gesetzgebungskompetenzen (konkurrierend und kraft Sachzusammenhangs) |
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Gesetzgebungskompetenzen (Erforderlichkeitsklausel) |
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Gesetzgebungsverfahren (Initiative + Vorverfahren) |
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Gesetzgebung (Zustimmungsbedürftigkeit) |
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Gesetzgebung (Mitwirkung des Bundesrates) |
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